Laut Waldzustandsbericht ging es dem Wald noch nie so schlecht wie aktuell. Blickt man aber genauer auf das Zahlenwerk kommt man zu anderen Ergebnissen.
„Jeden Sommer nehmen Fachleute der Länder auf Stichprobenpunkten den Kronenzustand der Waldbäume auf. Beurteilungsmaßstab ist die Verlichtung der Baumkronen im Vergleich zu einer voll belaubten bzw. benadelten Krone. Die Abweichung von einer vollständigen Belaubung wird in 5-%-Stufen geschätzt. 0 % Verlichtung bedeutet eine voll belaubte Krone. 40 % Verlichtung bedeutet: Gegenüber einer voll belaubten Krone fehlen 40 % der Blattmasse bzw. es ist nur 60 % der normalerweise zu erwartenden Blattmasse vorhanden.“ (Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2019).
Soweit die Erhebungspraxis. Kritik an dieser Erhebungsmethode gab es aber schon seit ihrer Einführung in den 1980ern. Natürlich ist der Kronenzustand ein wesentliches Zeichen für die Vitalität eines Baumes, er ist aber nicht der einzige Faktor der entscheidend ist für die Vitalität des Waldes. Der Bodenzustand, das Aufkommen der Verjüngung und ihre Vitalität, der Holzzuwachs (nur vitale Bäume wachsen zu) und das Vorhandensein von Pathogenen und Schädlingen sind ebenfalls wichtige Faktoren.
Gerade beim Laubholz sind Kronenzustandsbeurteilungen mit Vorsicht zu genießen: denn im Gegensatz zu Nadelbäumen erneuern Laubbäume ihr Blattwerk jedes Jahr. Und in heißen Sommern ist der Blattabwurf eine Reaktion auf Hitzestress, von einem absterbenden Baum kann nicht die Rede sein.
Auch muss man sich die Einteilung der Schadstufen genauer anschauen, will man die Ergebnisse des Waldzustandsberichts richtig interpretieren. Schadstufe 1 wird als schwache Kronenverlichtung beschrieben. Ein Baum, dem bis zu einem Viertel seiner Blattmasse fehlt, ist vielleicht nicht mehr vital genug um in der Oberschicht der Krone zu dominieren, von einem kranken Baum kann aber nicht gesprochen werden.
Dies ist deshalb wichtig zu berücksichtigen um das Gesamtergebnis richtig beurteilen zu können:
Zweifellos, mit 36 % sind die starken Kronenverlichtungen noch nie so hoch gewesen wie bisher. Aber umgekehrt zeigen rund 64 % der aufgenommenen Bäume keine oder nur marginale Schäden.
Der Klimawandel ist also auch im Wald angekommen, oder hat eigentlich schon begonnen. An vielen Waldstandorten ist ein Waldumbau notwendig: mehr Mischwald, mehr standortsgerechte Baumarten und eine Abkehr der sekundären Nadelwälder sind unabdingbar. Von einem großflächigen Absterben der Wälder zu sprechen wie es manche Massenmedien schon (wieder) tun, ist aber falsch und polemisch.