Viele Waldbesitzer verweigern den Waldumbau, da sie überzeugt sind das Laubholz sich nicht so lukrativ verkaufen lässt. Doch wer kann wirklich vorhersagen wie der Holzmarkt in 50 oder 100 Jahren funktioniert?
Wald ist Grundbesitz und die Grundbesitzer wollen daraus Einkommen erzielen. Dabei wird das Einkommen aus dem Wald bedeutender je größer der Waldbesitz ist: für Kleinwaldbesitzer bis 10 ha ist das Einkommen aus dem Wald eher nebensächlich. Für Landwirte, die meist über Waldflächen zwischen 10 bis 50 ha besitzen ist der Wald hingegen schon eine Nebenerwerbsquelle, noch dazu hat der Wald traditionell für Landwirte eine sogenannte Sparkassenfunktion: Wird Bauholz (oder finanzielle Mittel) für die Renovierung des Hofes benötigt, wird Holz eingeschlagen. Waldbesitzer über 100 ha können meist schon allein vom Einkommen des Waldes leben, über 1000 ha existiert meist ein Forstbetrieb wo angestelltes Forstpersonal sich um die forstlichen Agenden kümmert.
Je größer aber der Waldbesitz ist und je mehr Aufwand mit der Waldbewirtschaftung verbunden ist, desto wichtiger ist das Einkommen, das der Wald erbringen muss – und so mehr ist der Waldbesitzer vom Holzpreis abhängig. Spielt es für Kleinwaldbesitzer kaum eine Rolle ob er beim Holzverkauf ein paar hundert Euro mehr oder weniger verdient, kann es bei einem großen Forstbetrieb hingegen schon darum gehen, ob das Geschäftsjahr positiv oder negativ bilanziert wird. Daher sind Forstbetriebe – und das gilt auch für die meisten Landwirte – bestrebt, möglichst hohes Einkommen aus ihrem Wald zu erzielen.
Schnelles Wachstum = ertragreiche Waldwirtschaft?
Und was ist dafür die vielversprechendste Methode? Die Aufzucht von Baumarten, die viel Holz produzieren. Aus rein wirtschaftlicher Sicht ist es nachvollziehbar, dass ein Waldbesitzer die Fichte fördert, die pro Jahr und ha 15 Festmeter Holz produziert gegenüber der standortstauglichen Eiche, an der nur die halbe Menge Holz heranwächst. Das ist aber nur ein rein wirtschaftlicher Blickwinkel, der außer Acht lässt, dass Fichten und Eichen nicht in einem geschütztem Labor heranwachsen, wo man alle Prozesse kontrollieren kann, sondern das Wälder in der freien Natur wachsen. Als Baum im Naturraum zu wachsen bedeutet vor allem eins: überleben. Vom Dasein eines Keimlings gibt es unzählige Gefahren und Bedrohungen, angefangen von Starkniederschlag, Dürre, gefräßigen Raupen und Rehen, bis zur Konkurrenz durch Gräser, Sträucher und andere Bäume. Jeder Baum, der zu seiner Maximalgröße herangewachsen ist, hat all diese Unbilden überstanden. Ist es nicht nur ein Baum, sondern ein ganzer (Natur)wald, so gibt es bestimmte Gründe, warum an dieser Stelle Buchen wachsen und keine Lärchen oder Arven. Die natürlichen Waldgesellschaften, die sich an den verschiedenen Standorten und Höhenstufen im Laufe von Jahrtausenden herausgebildet haben, sollten daher vom Waldbesitzer zumindest in grobem Maße beherzigt werden und als Zeiger und Orientierungshilfe für die Baumartenwahl und damit die Waldbewirtschaftung verstanden werden – und dementsprechend befolgt.
Vom Brotbaum zum Sorgenkind
Jahrezehntelang wurden aber in Mitteleuropa Fichten und Kiefern gepflanzt, vielfach an Standorten, die ihnen nicht oder kaum zuträglich waren, noch dazu in Monokulturen, die besonders anfällig sind gegenüber abiotischen und biotischen Schäden. Immer schon waren Windwürfe, Borkenkäfer quasi Part of the Game in den sogenannten sekundären Nadelwäldern (sekundär das sie die natürlichen Laufwälder ersetzen), insgesamt waren die Schäden aber stets in einem überschaubaren Ausmaß, so dass sie zwar finanziell Einbußen verursachten, die Nadelwaldbewirtschaftung sich aber insgesamt trotzdem rechnete. Mit dem Klimawandel ist dies aber nun vorbei, auch wenn es vielen Waldbesitzern schwer fällt dies zu akzeptieren.
Das wichtigste Argument der Verfechter der Fichtenwirtschaft vorbringen sind die Absatzmärkte. Die Fichte ist der Brotbaum, der mitteleuropäischen Forstwirtschaft oder besser gesagt, sie war es über Jahrzehnte hinweg. Zahlreiche Sägewerke sind auf den Einschnitt von Nadelholz spezialisiert. Verändern die Waldbesitzer durch einen Waldumbau ihr Produkt und bieten in Zukunft Laubholz statt Nadelholz an, dann würde sich das Holz ungemein schwerer vermarkten lassen, so der Tenor. 2019 war aber bereits das fünfte Jahr hintereinander, wo sich die Fichte aufgrund der großen Schadholzmengen nur schwer bzw. nur zu wenig attraktiven Preisen vermarkten liess. Und die Situation wird sich in den nächsten Jahren eher verschlechtern als verbessern.
Bestandesstabilität geht vor (möglichem) Profit
Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum das Argument mit den Holzmärkten ein schwaches ist: Nämlich die lange Produktionszeit (Umtriebszeit) in der Waldwirtschaft. Ein Waldbestand, der heute begründet wird, ist frühestens in 80 Jahren reif für die Ernte. Das wäre dann das Jahr 2100. Wer kann ernsthaft vorhersehen, was in diesem Zeitraum noch alles passieren wird? Niemand kann seriös vorhersagen, welche Holzarten am zu Beginn des 22. Jahrhunderts gerade gefragt sind. Selbst bereits erfolgreich begründete Bestände, die sich aktuell im Stangenholzstadium befinden sind erst in 40 Jahren erntereif. Solche Zeiträume sind für Menschen nicht planbar. Die Argumentationslinie, man müsse die Fichte ja jetzt auch in den Jungbeständen weiterhin fördern und unter anderem trockenresistentes Saatgut verwenden (welches von der Forschung erst gefunden werden müsste), geht aber davon aus das alles bleibt wie es war. Doch der Klimawandel ist der größte Wandel, den die Menschheit seit Jahrhunderten erlebt. Noch dazu ein Wandel, der gerade die Naturräume stark beeinflusst. Denn selbst wenn die Forstwirtschaft in ihrer Gesamtheit es schaffen sollte, stabile Fichtenbestände durch die stürmischen Zeiten des Klimawandels zu bringen: Wer kann garantieren das Fichtenholz im Jahr 2100 auch nachgefragt wird? Davon auszugehen ist reine Spekulation. Und da die schon an der Börse meist nicht funktioniert, hat sie im sensiblen Ökosystem Wald schon gar nichts verloren. Daher muss der Waldbesitzer bei der Baumartenwahl sich an den natürlichen Verhältnissen, die der Standort hergibt, orientieren und nicht an irgendwelchen möglichen Holzpreisen in einer fernen Zukunft.