Invasive Arten können ganze Waldgebiete vernichten. Wie groß ist die aktuelle Bedrohung durch Neobiota in Mitteleuropa?
Bei dem Begriff Neobiota handelt es sich um Lebewesen, die entweder durch den Menschen in ein neues Gebiet eingebracht wurden oder auf natürliche Art und Weise eingewandert sind. Neben der Einwanderung ist auch die erfolgreiche Etablierung notwendig um von Neobiota sprechen zu können. Mit Neozoen, Neophyten und Neomyceten werden diese Neubürger nochmals etwas genauer in Tier-, Pflanzen- und Pilzarten unterteilt. Den nicht jede Art die einwandert kann sich den neuen ökologischen Bedingungen anpassen, viele Arten sterben auch einfach ab.
Bedrohung oder Ökofaschismus?
Im engeren Sinn werden als “invasive Neobiota” solche Arten bezeichnet, die sich aggressiv und invasionsartig ausbreiten, gebietsweise dominant werden und dadurch andere Arten bedrängen können. Dabei beruht die Eigenschaft invasiv auch auf eine stark athroprozentrische Sichtweise, denn Migrationsbewegungen von Arten gibt es schon immer in der Naturgeschichte, das beste Beispiel für die Eroberung von neuem Lebensraum ist der Mensch selbst. Typisch für viele aggressive Arten ist, dass sie sich in ihrer ursprünglichen Heimat eher unauffällig zeigen. Auch in einem neu besiedelten Gebiet können Neobiota über längere Zeit ausharren, bevor sie invasiv werden. Die Einwanderung neuer Arten mit allen Nebenwirkungen ist an sich nicht neu. Neu ist allerdings die hohe Mobilität des Menschen mit globalem Waren- und Reiseverkehr, so dass viele Arten oft zufällig übertragen werden. Man könnte in diesem Zusammenhang auch von einer neuen Form der Zoochorie, also der Verbreitung durch Tiere sprechen. Vor allem viele Pflanzen verbreiten ihre Samen etwa im Fell von Tieren. Aus dem Fell der Tiere wurde durch die Globalisierung der Rumpf eines Schiffes oder das Verpackungsholz von Exportwaren. Dies führt weltweit zu vielen Einwanderungswellen in einer unnatürlich raschen Folge und über große geografische und klimatologische Barrieren hinweg. Auch der gegenwärtige Klimawandel begünstigt invasive Arten, indem sich zunehmend wärmeliebende Arten bei uns etablieren können, während umgekehrt durch die Erwärmung keine andere, bei uns bekannte invasive Art dadurch gebremst wird. Sowohl der globale Warenverkehr, als auch der Klimawandel führen dazu, dass die Artenwanderung stark beschleunigt wird.
In der Naturgeschichte gibt eine ganze Reihe von Beispielen, wo invasive Arten in kurzer Zeit einheimische Arten verdrängen oder sogar bereits ausgerottet und große wirtschaftliche Schäden verursacht haben, man denke nur an Australien. Viele Beispiele aus der gesamten Welt zeigen den negativen Einfluss, den neu eingeführte Tier- und Pflanzenarten auf die vorhandenen Floren und Faunen ausüben können. Es handelt sich dabei jedoch meist um Beispiele von Inseln oder sonst wie isoliert gelegenen Biotopen (z.B. Viktoriasee/ Nilbarsch). Auf den Galapagosinseln wird versucht, die dortige einmalige Flora und Fauna von den eingeschleppten Hunden, Katzen, Ratten und Ziegen wieder zu befreien. Auf Hawaii starben seit der Entdeckung bereits 23 der 67 einheimischen Vogelarten, auch unter Mithilfe konkurrenzstärkerer eingeschleppter Arten aus. Auf der Pazifikinsel Guam wurden bereits 21 endemische Tierarten durch die aus Australien während des 2. Weltkrieges eingeschleppte Braune Nachtbaumnatter ausgerottet. Dennoch muss man berücksichtigen, dass solche Extrembeispiele verglichen mit der Gesamtzahl der Fälle nur selten und in Mitteleuropa bisher noch kaum aufgetreten sind. Als Faustregel für Gefäßpflanzen kann gelten: Von 100 neuen Arten fallen 10 auf und nur eine wird problematisch.
Mitteleuropa: Insel der Seligen?
In Mitteleuropa muss man die ökologische Gefährdung allerdings anders einschätzen. Hier konnte noch kein Fall nachgewiesen werden, dass eine einheimische Tier- oder Pflanzenart durch eine eingeschleppte Tier- oder Pflanzenart ausgerottet wurde. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass dies bereits erfolgte oder noch geschehen wird. Der Erfolg von neuen Arten erfordert das Zusammenspiel einer ganzen Reihe verschiedener Faktoren. Das in Europa als Kontinent bisher wenige invasive Arten sich erfolgreich etablieren konnte dürfte mit zwei Faktoren zusammenhängen: Im Gegensatz zu den Kontinenten Amerika, Afrika und Asien ist Europa auf kleiner Fläche sehr divers, das heißt die günstigen Bedingungen für eine invasive Art können in einigen wenigen hundert Kilometer schon wieder ganz anders aussehen. Außerdem gibt es mit dem winterlichen Frost einen ökologischen Faktor, der die Ausbreitung vieler Arten stark hemmt, was selbst für einige vom Menschen eingeführte Arten gilt. So ist die große Empfindlichkeit der Douglasie gegenüber Spätfrost der entscheidende Grund, warum diese aus Nordamerika stammende exotische Baumart nicht als invasive Art gesehen werden kann.
Prinzipiell sollten Veränderungen nicht grundsätzlich als Gefahr oder Zerstörung, sondern als Entwicklung, als Evolution verstanden werden. Denn das einzig Stetige ist der Wandel!! Ökosysteme und Lebensräume sind nur auf dem ersten Blick statisch. Deshalb sollte niemand die Etablierung neuer Arten grundsätzlich als negativ ansehen, denn das käme einer ideologischen Bewertung gleich, die fachlich nicht begründbar ist. Wenn sich also herausstellt, dass eine neue Art keine großen Verwerfungen bringt, ist es unsinnig, sie weiter zu bekämpfen.
Die unerwünschten Auswirkungen bei der Einwanderung neuer Arten sind:
- Verdrängung anderer Arten durch Konkurrenz, Auffressen, oder die Übertragung neuer Krankheiten. Besonders gefährdet sind inselartig isolierte Ökosysteme ohne Ausweichmöglichkeiten.
- Veränderung von Ökosystemen wie durch Stickstoffanreicherung von Au- und Waldböden durch die Robinie
- Aussterben der heimischen Population durch Einkreuzen der invasiven
- Produktionsausfälle und -schäden durch Fraß oder Krankheitsübertragung
- Wirtschaftliche Schäden durch notwendige Bekämpfung könnte große Grundbesitzer (Waldbesitzer!) besonders stark treffen wie aktuell im Fall des Eschentriebsterbens